Blogreihe: Schmerz verstehen – Bewegung neu denken

Artikel: Altern – wenn Muskeln zu erzählen beginnen

Die Welt wird alt. Ein großer Teil der Menschheit zählt inzwischen zu den „Mittelalten“ oder „Älteren“. In wohlhabenden Ländern wie Deutschland wächst keine Bevölkerungsgruppe schneller als die über 60-Jährigen.
Das ist gesellschaftlich beeindruckend – und medizinisch herausfordernd.

Denn mit dem Älterwerden gehen eine Vielzahl an Begleiterkrankungen einher. Fast so, als sei das Altern selbst eine Krankheit. Das ist teuer – und führt zu unbequemen Fragen:
Nicht mehr „Ist die Rente sicher?“, sondern „Können wir uns die Alten und Lahmen überhaupt noch leisten?“

Der demographische Wandel gehört zu den größten sozialen und gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit.

Altern ist auch Muskelverlust

Wie Grevendonk und Kolleg:innen in Nature Communications (2021) schreiben:
Eines der „unverwechselbaren Merkmale des Alterns“ ist der Abbau von Muskelmasse und körperlicher Funktion.
Oder einfacher gesagt: Wer abbaut, ist alt.

Parallel zu diesem Rückgang nimmt auch die Aktivität der Mitochondrien – also der „Kraftwerke der Zellen“ – in der Muskulatur ab, selbst bei gesunden älteren Menschen.
Diese verringerte mitochondriale Funktion steht im Verdacht, den Muskelabbau und damit den Rückgang körperlicher Leistungsfähigkeit zusätzlich zu beschleunigen.

Beobachtungen aus Tierstudien stützen diese Annahme:

  • Mäuse, denen bestimmte antioxidative Enzyme fehlen, zeigen eine beschleunigte Sarkopenie.
  • Ratten entwickeln im Alter Mitochondrien-Anomalien, die mit Muskelfaser-Atrophie einhergehen.

All das weist auf eine zentrale Frage hin:

Könnte eine Verbesserung der mitochondrialen Funktion den altersbedingten Leistungsabbau tatsächlich bremsen?

Die Studie von Grevendonk et al.

Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, führten Grevendonk und Kolleg:innen eine umfassende Querschnittsstudie durch.
Untersucht wurden junge und ältere Erwachsene, jeweils mit unterschiedlichen Aktivitätsniveaus – von wenig aktiv bis hochtrainiert.

Gemessen wurden unter anderem:
- Muskelfunktion und -volumen
- Gangstabilität und Bewegungseffizienz
- Insulinsensitivität
- Mitochondriale Kapazität

Ziel war es zu klären,
- ob ältere Menschen grundsätzlich eine geringere mitochondriale Funktion haben,
- wie eng diese mit Muskelkraft und Leistungsfähigkeit zusammenhängt, und
- ob regelmäßiges Training diesen Abbau ausgleichen kann.

Was sie herausfanden

Die Ergebnisse sprechen eine klare Sprache:
- Mit zunehmendem Alter nehmen Mitochondrienkapazität, Muskelkraft, Gangstabilität und Insulinsensitivität ab – selbst bei aktiven Personen.
- Regelmäßiges Training kann diese altersbedingten Einbußen jedoch weitgehend kompensieren.
- Die Mitochondrienkapazität korreliert eng mit Bewegungseffizienz und Stoffwechselgesundheit.

Das Fazit der Forschenden:
Die Gesundheit unserer Mitochondrien könnte ein Schlüssel zur Erhaltung körperlicher Leistungsfähigkeit im Alter sein.

Fazit

Altwerden ist unvermeidlich.
Aber wie wir altern, ist beeinflussbar.
Bewegung – und insbesondere gezieltes Training – kann den altersbedingten Rückgang der zellulären Energieproduktion bremsen und damit unsere körperliche Selbstständigkeit schützen.

Das Altern ist also kein Schicksal, sondern ein Prozess, den wir aktiv gestalten können.